Platzspitzbaby

Pierre Monnard

Die offene Drogenszene am Platzspitz ist ein düsteres Kapitel der jüngeren Schweizer Geschichte. Der Film schaut genau hin, wo früher alle weggeschaut haben. Mutter und Tochter spielen sensationell.

Frühling 1995: Nach der Auflösung der offenen Drogenszene in Zürich ziehen die elfjährige Mia und ihre Mutter Sandrine in ein idyllisches Städtchen im Zürcher Oberland. Doch das neue Zuhause ist für Mia kein Paradies. Denn Sandrine ist schwer drogenabhängig und hätte niemals das Sorgerecht erhalten dürfen. Mia flüchtet sich in eine Fantasiewelt mit einem imaginären Freund. Mit ihm unterhält sie sich in den einsamen Stunden und schmiedet fantastische Pläne für ein Inselleben mit ihrer Mutter, fernab der Drogen. In einer Kindergang, deren Mitglieder aus ähnlich schwierigen Verhältnissen stammen, findet Mia eine Art Ersatzfamilie und immer mehr auch die Kraft, sich gegen ihre alles beherrschende Mutter aufzulehnen.

Platzspitzbaby

Dauer

100 Minuten

Sprache

Dialekt

Alter

12

Genre

Drama

Produktion

2019, Schweiz

Besetzung

Miriam Stein, Marcus Signer, Sarah Spale, Luna Mwezi

Leona Fischer

"Will sie mis Mami isch."

In leuchtend gelbem Strickpullover steht eine junge Frau vor knapp 120 Menschen, die gerade ihre schicksalhafte Kindheit auf der Kinoleinwand miterlebten. Es ist die 34-jährige Zürcher Buchautorin Michelle Halbheer. Sie wirkt jugendlich und nicht so, als würde sie es wahnsinnig geniessen, im Mittelpunkt zu stehen. "Es ist kein Einzelschicksal, es geht nicht um mich, sondern um alle Kinder, die das erleben mussten und immer noch müssen", sagt Halbheer über die Beweggründe, ihre Geschichte zu erzählen. Als sie im Gespräch gefragt wurde, was sie mit der Verfilmung des Buches erreichen wollte, wird sie bestimmter. "Der Film ist für alle vergessenen Kinder und solche, die sich in einer ähnlichen Situation befinden." Sie möchte, dass hingeschaut wird. Hingeschaut, da, wo man lieber nicht hinsehen möchte.

Die Zustände im Film sind unvorstellbar: Gewaltsame Auseinandersetzungen zwischen den geschiedenen Eltern, die Mutter mit Sorgerecht heroin- und kokainabhängig, die Behörden überfordert, die Mama handgreiflich gegenüber ihrer Tochter. Solange aber Mia bei der Mutter bleiben möchte kann, zur Frustration des Vaters, nichts an der Situation geändert werden. "Wieso schützisch sie no?", fragt der Vater seine 11-jährige Tochter. Ihre Antwort simpel: "Will sie mis Mami isch." Und genau darum geht es, die bedingungslose Liebe eines Kindes zu seiner Mutter. Elementar und darum auch so verständlich.