Systemsprenger

Nora Fingscheidt

Die Geschichte einer gewalttätigen Neunjährigen, die sich nach Geborgenheit sehnt und durch alle Erziehungsraster fällt. Ein mit allen Sinnen spürbares Kinoerlebnis, das im positiven Sinn erschüttert.

Pflegefamilie, Wohngruppe, Sonderschule: Egal, wo Benni hinkommt, sie fliegt sofort wieder raus. Die wilde Neunjährige ist das, was man im Jugendamt einen „Systemsprenger“ nennt. Dabei will Benni nur eines: Liebe, Geborgenheit und wieder bei Mama wohnen. Doch Bianca ist vor ihrer unberechenbaren Tochter schlicht und einfach überfordert. Als es keinen Platz mehr für Benni zu geben scheint und keine Lösung mehr in Sicht ist, versucht der Anti-Gewalttrainer Micha, sie aus der Spirale von Wut und Aggression zu befreien. Der Film ist ein seltener Glücksfall im deutschsprachigen Filmschaffen, denn er behandelt ein relevantes Thema mit einer sorgfältig erzählten Geschichte und einer kraftvollen eigenen Handschrift. Seit der Weltpremiere in Berlin (Silberner Bär) gewann der Film weitere 22 internationale Preise, der aktuellste wurde ihm am ZFF (Zürich Film Festival) vor ein paar Wochen verliehen. 

Systemsprenger

Dauer

118 Minuten

Sprache

deutsch

Alter

12

Genre

Drama

Produktion

2019, Deutschland

Besetzung

Helena Zengel, Albrecht Schuch, Gabriela Maria Schmeide, Lisa Hagmeister, Melanie Straub

Peter Bötschi

In diesem Herbst mischen nicht nur junge Politiker/innen die Szene neu auf. Auch in der Filmszene machen junge Talente von sich reden. Das aktuellste Beispiel dafür ist der Film "Systemsprenger", ein ausserordentliches Erstlingswerk von Nora Fingscheidt, das an der Berlinale alle Blicke auf sich zog und mit einem Silbernen Bären ausgezeichnet wurde.
Es ist nicht ungewöhnlich, dass sich ein Film einem sozialpädagogischen Thema annimmt. Was dieses Werk so aussergewöhnlich macht, ist das Zusammentreffen der deutschen Jungregisseurin (die man sich merken muss) mit der jugendlichen Hauptdarstellerin in der Rolle der kleinen Benni. 
Die heisst in Wirklichkeit Helena Zengel, ist erst 10 Jahre alt und strotzt nur so vor Energie. Der Gedanke, dass alles nur ein ein Rollenspiel ist, kommt gar nicht mehr auf. Helena ist Benni. 
Der Humus, auf dem sich die beiden Jungtalente entfalten, ist ein Drehbuch, das auch einem kritischen Pädagogenblick standhält. Als Zuschauer erleben wir, wie engagiert und liebevoll sich die Erzieher bemühen, dieses Systemsprenger-Kind einzugliedern. Wir erleben auch (und das macht den Film so glaubwürdig), dass diesen Bemühungen Grenzen gesetzt sind, sei es aus finanziellen oder rechtlichen Gründen oder weil die Beteiligten die emotionale Belastung nicht länger (er)tragen können. Das ist eine weitere Stärke dieses Film: der Verzicht auf jede Sentimentalpädagogik.