Unrueh

Cyril Schäublin

Ein facettenreicher, formal und schauspielerisch herausragender, durch Sprachwitz glänzender Spielfilm, an der Berlinale 2022 in der Sektion Encounters mit dem Preis für die beste Regie ausgezeichnet.

Neue Technologien verändern eine kleine Uhrmacherstadt in der Schweiz des ausgehenden 19. Jahrhunderts. Die junge Fabrikarbeiterin Josephine stellt das mechanische Herzstück der Uhren her, die ‹Unrueh›. Während sie sich neuen Formen der Organisation von Geld, Zeit und Arbeit ausgesetzt sieht, beginnt sie sich in der lokalen Bewegung der anarchistischen Uhrmacher zu engagieren. Dort begegnet sie dem russischen Reisenden und Kartographen Pyotr Kropotkin. Mit «Unrueh» geht Regisseur Cyril Schäublin, der ein Nachkomme einer Nordwestschweizer Uhrmacherfamilie ist, zurück zu seinen Wurzeln – und weist darüber hinaus auch in die Gegenwart. Sein Film spielt in einer Epoche technologischer Umbrüche und damit einhergehenden markanten Veränderungen der sozialen Ordnung, die bis in die aktuelle Zeit hineinwirken.

Unrueh

Dauer

95 Minuten

Sprache

Ov/d

Alter

6

Genre

Drama

Produktion

2022, Schweiz

Besetzung

Monika Stalder, Lilith Stangenberg, Michael Fehr, Hanspeter Meier, Clara Gostynski, Alexei Evstratov

David Schlittler

Nehmen Sie sich diese Zeit

Unrueh ist ein Schweizer Film über ein Uhrmacherdorf im Jura im Jahr 1877. Es ist ein kleiner Film über eine sich anbahnende Liebe und die sich im steten Trott verheddernde Industrialisierung. Unrueh ist auch ein grossartiger Film, für den weltweit Superlative ausgepackt werden und der im Wochentakt begeisterte Kritikerinnen und Zuschauer zu neuen Uhrmetaphern verleitet. Unrueh ist ein Film über den Beginn unserer modernen Zeitmessung, ein Film über Globalisierung, Kapitalismus und Solidarität; ein Werk, das historisch exakt erzählt, von Aktualität nur so strotzt, filmisch neue Massstäbe setzt und in meinen Augen hinter einen Trend der letzten Jahre ein dickes Ausrufezeichen setzt: Der Schweizer Film, der kann wieder was!

In Saint-Imier kreuzen sich immer wieder die Wege des russischen Karthographen Kropotkin und der lokalen Uhrmacherin Josephine. Ihre Wege führen uns mitten in eine Dorfgesellschaft, deren Horizont locker schon bis nach Buenos Aires reicht, in der es aber noch keine geeinte Uhrzeit gibt (ob Bahnhof, Post, Gemeinde oder Fabrik, alle ticken ein bisschen anders). Es ist eine Geschichte, die in einem kleinstädtischen Dorf spielt, das sich einzupendeln versucht zwischen Tradition und Fortschritt. Unrueh ist ein Film, der sich unvergleichlich auf den alltäglichen Balanceakt unseres gesellschaftlichen Miteinanders einlässt: Das untrennbare Hin und Her zwischen politischem Streit und menschlichem Sein.